Die Geläute der protestantischen Kirchen in Haßloch sind ein hörbares Zeichen christlicher Präsenz in unserem Dorf. Mit ihrem Klang laden Sie Menschen in den Gottesdienst, laden ein zum Gebet und erinnern an ein christliches Leben.
Der Glockenverein will dazu beitragen, dass die Glocken in unseren Kirchen erhalten und renoviert werden können.

Dienstag, 6. September 2016

Ausflug nach Herrenberg

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
(Inschrift auf der Glocke Gloriosa der Stiftskirche Herrenberg)

Ausflug des Protestantischen Glockenvereins vom 04.06.2016
Foto Hajo Cörper


                                                                                                                                     Am Vortag hatte es noch wie aus Kübeln gegossen, weshalb sich besorgte Teilnehmer schon nach einem möglichen Alternativprogramm erkundigten. Wer konnte sich schon vorstellen, was Herrenberg sonst zu bieten hat, außer dieser Ausfahrt der Stau anfälligen Bodenseeautobahn? Und dann noch etwa bei Regen!!!  Am 04.06.2016 jedoch, pünktlich als der wohlgefüllte Bus morgens vom Pfalzplatz in Haßloch losfuhr, war es trocken.

Auf der Hinfahrt vertraten wir uns die Füße in den Ruinen des ehemals bedeu-tenden Benediktinerklosters Hirsau, das einst der cluniazensischen Reform-bewegung als früher Stützpunkt gedient hatte. Frau Müller, die Glocken-sachverständige, auf deren Idee auch dieser Ausflug fußte, übernahm dabei die Führung und brachte uns den architektonischen Aufbau des Klosters nahe.

Nach kurzer Weiterfahrt erreichten wir zur Mittagszeit unser eigentliches Ziel und nahmen in einem traditionsreichen Gasthof das Mittagessen ein. Dort lief es wie am Schnürchen. Und dann stieß Herr Dekan i. R. Eisenhardt zu uns. Sofort begann der, man mag es nicht glauben, nahezu 80 Jahre alte Herr, ein rhetorisches Feuerwerk, dem sich für die nächsten Stunden niemand zu entziehen vermochte. Wie ein professioneller Fremdenführer (der besseren Sorte wohlgemerkt!) zeigte er uns die am Fuß des Schönbuchs gelegene, überaus sehenswerte Altstadt. Die Sonne war längst herausgekommen.  Nicht schlecht staunten wir etwa beim Passieren eines Gässchens, das für allzu Beleibte ein unüberwindliches Hindernis bereitet hätte… Und über all dem ständig gegenwärtig die Stiftskirche, unser eigentliches Ausflugsziel. Die „Glucke vom Gäu“. Ihr Turm scheint um ein Vielfaches zu groß geraten. Doch dies ist der Not geschuldet.
Die Kirche steht nämlich auf einer äußerst instabilen Bodenschicht, die pro Jahr etwa 1 mm zu Tal wandert. Samt den darauf befindlichen Gebäuden! Um ein Auseinanderbrechen des Gotteshauses zu verhindern hat man u. a. aus ursprünglich 2 Türmen einen einzigen gemacht, mit der Folge, dass dieser so massig geworden ist, dass seine Glockenstube, bis zur nächsten Sanierung…, ein riesiges Museum aufzunehmen vermag. Und weil das alles ständig Geld kostet, sehr viel Geld, hat man 1993 eine Bauhütte gegründet. Geschickte und engagierte Menschen arbeiten in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Mitarbeiter für ihre Kirche. Sie lernten, vor allem, wenn technisch vorgebildet, schnell dazu und wurden so selbst Spezialisten für das Glockenwesen, mit der Folge, dass die Bauhütte heute viele anspruchsvolle Arbeiten rund um Kirchenbau und Glockenmuseum selbst ausführen kann. Außerdem fertigt die Bauhütte heute kunsthandwerkliche Erinnerungsstücke, die reißenden Absatz finden, wie Turmhähne und dergl.  Allein von dem Verkaufserlös konnten mehrere Glocken für das Museum angeschafft werden. Die Werkstatt dieser Bauhütte durften wir besichtigen. Den Heimwerkern unter uns gingen dabei die Augen über. Was gab es da an Werkzeug und Maschinen. Und braucht man nicht unbedingt für daheim auch einen Wetterhahn? Selbst wer kein ausgeprägtes technisches Interesse hat, kam so auf seine Kosten. Doch schon forderte Herr Eisenhardt zur Innenbesichtigung der Stiftskirche mit Steinkanzel (1504) Taufstein (1472) und Chorgestühl (1547) und der ältesten Rosette Schwabens. Wer im Anschluss daran die Stufen zur riesigen Turmstube nicht erklimmen wollte, lauschte dem ca. einstündigen Glockenkonzert vom Kirchenraum aus. Über 30 läutbare Bronzeglocken und ein 50- stimmiges Carillon (Turmglockenspiel) bilden das umfangreichste Kirchengeläut Deutschlands. Grandios war das Erleben für diejenigen, die – mit entsprechendem Gehörschutz – direkt in der Glockenstube, also mitten in dem Geläut, der vollen Klangentfaltung folgen und die Schallwellen körperlich wahrnehmen konnten. Zum Abschluss läuteten alle Glocken von Herrenberg zusammen den Sonntag ein. Einfach fantastisch! Wäre dies nicht auch ähnlich in Haßloch denkbar?

Auch die Rückfahrt verkürzte wieder dankenswerter Weise Herr Dekan i. R. Lamotte – wie er es schon morgens getan hatte -  mit mehreren höchst eindrücklichen Lesungen aus der Sendereihe Anstöße des SWR.

Wohlbehalten wieder daheim angekommen, erfuhren wir, dass es in Haßloch mittlerweile weitere 15 Liter pro 1m² geregnet hatte. Wenn Engel reisen…
    Helmut Bauer